Wenzel Hollar (16071677), Landschaft mit Gesicht, aus: University of Toronto Wenceslas Hollar Digital Collection via commons.wikimedia.org

 

Frauen in Burkas, oder leere Sitze? Im vergangenen Jahr sorgte ein eigentlich harmloses Foto für eine hochemotionale Debatte in den sozialen Netzwerken: Ein Bild, dass mehrere leere Bussitze zeigt, wurde von dem norwegischen Journalisten Johan Slåttavik auf einer nationalistischen Facebookseite gepostet. Dort wurde es fälschlicherweise als eine Gruppe in Burkas gekleideter Frauen interpretiert und befeuerte die Diskussion um ein mögliches Burka-Verbot. Dieser Vorfall zeigt auf verblüffende Weise, wie durch die Vorurteile der RezipientInnen eine Deutung in das Bild “hineingelesen” wurde, die bei einer objektiven Betrachtung des Fotos kaum denkbar wäre.

Nicht nur die gezielte Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch Bilder in den sozialen Medien wirft die Frage nach den Rahmenbedingungen von Rezeptionsprozessen auf. Diese geraten auch bei der Auseinandersetzung mit antiken Bildern zunehmend in das Blickfeld der Forschung. Allerdings trennt die archäologische Bildwissenschaft in der Regel zwischen produktions- und rezeptionsästhetischen Ansätzen: Entweder werden die Produzenten (Maler, Bildhauer, etc.) und deren Intentionen/Botschaften in den Blick genommen, oder es wird die Abhängigkeit der Bildrezeption von äußeren Faktoren untersucht, ohne produktionsästhetische Aspekte zu berücksichtigen.

Die geplante Tagung möchte zwischen beiden Polen vermitteln. Hierzu werden “mehrdeutige” Bilder diskutiert, d.h. solche Bilder, die unterschiedliche, voneinander abweichende Deutungen durch die RezipientInnen zulassen, zugleich aber nicht beliebig interpretierbar sind. Hierfür sollen zwei Theoriefelder herangezogen und ihre Übertragbarkeit auf antike Bilder kritisch reflektiert werden.

Die Tagung setzt sich zum Ziel, anhand der Rahmentheorien nach Fillmore/Busse/Ziem und dem Affordanz-Konzept nach Gibson/Knappett mögliche Mehrdeutigkeiten antiker Bilder zu untersuchen und zu diskutieren, unter welchen Bedingungen und zu welchem Zweck Mehrdeutigkeiten bei der Bildrezeption von Bedeutung sein können.

Program

2.11.2018
12:00 - 12:30
Anmeldung
12:30 - 13:00
Einführung
Elisabeth Günther geb. Löser
13:00 - 18:30
SEKTION 1: AFFORDANZEN VON OBJEKTEN UND BILDERN
13:00 - 14:00
Keynote-Lecture - Affordances in Archaeology: A Relational Perspective on Subjectivation
Reinhard Bernbeck
14:00 - 14:30
Kaffeepause
14:30 - 15:15
Nikolaus Dietrich
15:15 - 16:00
Eine Neubewertung römischer Lampenbilder
Matthias Grawehr
16:00 - 16:30
Kaffeepause
16:30 - 17:15
Andrew M. Riggsby
17:15 - 18:00
Martina Sauer
18:00 - 18:30
Diskussionrunde
3.11.2018
09:30 - 15:15
SEKTION 2: DIVERGENTE LESARTEN UND IHRE RAHMEN (FRAMES)
09:30 - 10:30
Keynote-Lecture - Ambiguität als Herausforderung für die Literaturwissenschaft
Ovids Metamorphosen oder 'Poetiken des Halben'
Robert Kirstein
10:30 - 11:15
Daniel A. Werning
11:15 - 11:30
Kaffeepause
11:30 - 12:15
Class Semantics in Athenian Vase Painting
Wolfgang Filser
12:15 - 14:00
Mittagspause
14:00 - 14:45
Überlegungen zu einem ambivalenten Bildmotiv auf spätschwarzfigurigen attischen Gefäßen
Oliver Pilz
14:45 - 15:15
Diskussionsrunde
15:15 - 16:00
Kaffeepause
16:00 - 17:45
SEKTION 3: INTENTIONELLE MEHRDEUTIGKEITEN UND IHR SEMANTISCHES POTENZIAL
16:00 - 17:00
Keynote-Lecture - Bilder Rahmen: Perspektiven des Framing-Ansatzes zur Analyse von Bedeutung und Ambiguität visueller Kommunikation
Stephanie Geise
17:00 - 17:45
Die Durchgangsreliefs am Trajansbogen von Benevent
Burkhard Emme
19:00 - 20:00
Conference Dinner
4.11.2018
09:30 - 10:15
Michaela Stark
10:15 - 11:00
Jacobus Bracker
11:00 - 11:30
Diskussionsrunde
11:30 - 12:00
Kaffeepause
12:00 - 13:00
Resümee/Abschlussdiskussion
Johanna Fabricius