Seit dem von geographischer Seite in den 1980er-Jahren angestoßenen spatial turn ist der Terminus “Raum” nicht mehr von der Agenda der Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften wegzudenken. Ein Beleg dafür sind die zahlreichen Begriffskoalitionen, die “Raum” bis heute eingegangen ist. Wissen/Raum scheint hierbei ein zunehmend prominenteres Bündnis abzugeben. Dabei ist die theoretische Sättigung der gegenseitigen Verwiesenheit aufeinander noch weitestgehend unklar. Die Unklarheit berührt vor allem die Frage nach der angemessenen Integration von “Raum” in die wissenschaftstheoretische Diskussion. Der Vortrag versucht diese Problemlage zu thematisieren, indem eine sozialgeographische Forschungsperspektive eingenommen wird, die das Verhältnis von Raum und Wissen praxisorientiert wie kritisch-reflexiv betrachtet. Damit soll es möglich werden, die sozial-kulturellen Praktiken der raumbezogenen Wissensherstellung und -aneignung in den Blick zu nehmen. Der Zweiseitigkeit des Raum-Wissen-Nexus” folgend, wird (an ausgewählten Beispielen) zu zeigen sein, inwieweit sprachlich oder visuell geformtes Wissen um und über Räume einen analytischen Zugang zu Weltsichten und folglich der Konstruktion geographischer Wirklichkeiten eröffnet. Derart rücken gleichermaßen Orte der Aufbewahrung und Überlieferung von raumrelevantem Wissen, wie Archive oder Bibliotheken, in den Mittelpunkt der Betrachtung, haben sie doch über lange Zeit, d.h. über das Altertum hinaus, wesentlich zur Ordnung, (Weiter-)Produktion und -vermittlung von raumbezogenen Wissensbeständen beigetragen. Ferner sind sie durch geschichtskulturelle Praktiken bis in die Gegenwart hinein zu einem geistig-memorialen wie identitätsspezifischen Bezugspunkt avanciert. Um die Relevanz der eigenen theoretischen Überlegungen für die Altertumswissenschaften wie für die (Sozial-)Geographie diskutieren zu können, soll sich die Darstellung systematisch entlang folgender Fragen ausrichten: Auf welche Weise konnte sich im historischen Verlauf ein Begriff und ein Bild von Welt gemacht werden? Was konnte zu bestimmten Zeiten sowohl unmittelbar als auch mittelbar von entfernten Erdgegenden gewusst werden? Und wie lassen sich jene Formen und Figuren von “Raumwissen” bzw. “Wissensräumen” angemessen untersuchen?