Die Archäologie versucht, Wissen über die “Vergangenheit” zu erlangen. Dieses Wissen soll ohne inhaltliche, formale und methodologische Widersprüche konstruiert sein. Erst in einem zweiten Schritt soll es an die “interessierte Öffentlichkeit” weitergegeben werden. Jegliche auftretenden Sinnveränderungen werden als Missverständnisse oder gar als Instrumentalisierung der Archäologie betrachtet.
Aus konstruktivistischer Sicht muss Vergangenheitswissen jedoch adaptiv sein, also zu den Erfahrungen der Individuen passen. Zugleich wird es aus einer Vielzahl widersprüchlicher Quellen gespeist: materielle Relikte und Monumente, Museen, Bilder, Filme, Computerspiele, Schulbücher, Erzählungen, Märchen u. a. Das Individuum gleich diese ständig miteinander ab. Das archäologische Wissen ist nur eine unter vielen, gleichberechtigten Möglichkeiten, aus denen Individuen wählen. Die Möglichkeiten werden aber nicht auf einen kohärenten Wissensvorrat reduziert, sondern bleiben als widersprüchliche und unvereinbare Wissensangebote bestehen.
Ich möchte diese Konkurrenz verschiedener Wissensformen analysieren. Da Vergangenheit immer in der Gegenwart konstruiert und produziert wird, wird sie von einem ehemals zeitlichen zu einem räumlichen Konstrukt, zur synchronen Ordnung sozialer Realität (Lefebvre 1974). Die konstruierte Vergangenheit kann also selbst als Wissensraum angesprochen werden. Zur Analyse der Produktion des Wissensraumes ‚Vergangenheit” soll eine Modellmatrix des Sozialgeographen David Harvey (2007) dienen. Dieses beruht einerseits auf der Unterteilung in erfahrenen, konzipierten und gelebten Raum (Lefevbre 1974), andererseits in absoluten, relativen und relationalen Raum.
Der Produktionsprozess des Wissensraumes vollzieht sich in ständigen Transformationen und Übersetzungen, welche mittels individueller, eigener Erfahrungen mit vergangenheitsbezogenem Wissen untersucht werden sollen. Erst diese räumlichen Transformationen erlauben es, zu erkennen, weshalb die Archäologie zwar ein wichtiger Produzent für den Wissensraum ‚Vergangenheit” ist, jedoch diesen nie dominieren kann.

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Bibliographie:

  • Harvey, David, Raum als Schlüsselbegriff. In: Harvey, David, Räume der Neoliberalisierung. Zur Theorie der ungleichen Entwicklung (Hamburg 2007), 125–157.
  • Lefebvre, Henri, The Production of Space (Oxford 1991).